24. Juli 2012
Führung und Zusammenarbeit bei EG/LV
Rubrik: Personalentwicklung
Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement auf Basis unternehmenspolitischer, einheitlicher und verbindlicher Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit
Inhaltliche Zusammenfassung
Im Management-Handbuch von Emschergenossenschaft und Lippeverband (EG/LV) sind Aussagen zu Unternehmensvision, -strategie, -leitbild und –zielen dokumentiert. Eine Verzahnung mit personalpolitischen Aktivitäten existierte bislang nicht. Vom Vorstand wurde beschlossen, aus dem Unternehmensleitbild abgeleitete Aussagen zum Thema „Führung und Zusammenarbeit“ zu entwickeln, die zukünftig als Basis für Aktivitäten aus den Bereichen Personalgewinnung, -entwicklung und Gesundheitsmanagement dienen sollen. Die Einführung von einheitlichen und verbindlichen Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit war sinnvoll, denn sie bildeten personalstrategisch auch die notwendige Basis für die gezielte Kulturgestaltung von Changeprojekten.
1. Ausgangssituation
EG/LV als Körperschaft des öffentlichen Rechts befasste sich in den letzten zehn Jahren mit einer Vielzahl von personalpolitischen Führungsthemen, die als Grundlage für PE-Aktivitäten dienten. So wurden beispielsweise die MitarbeiterInnen und Führungskräfte in Anlehnung an das Konzept der situativen Führung geschult. Steigerungsfähig waren bei dieser Vorgehensweise noch eine Durchlässigkeit und stringentere Ableitung von Personalaktivitäten aus unternehmensstrategischen Positionierungen. Aus diesem Grund beschloss EG/LV eine Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Personalentwicklungsaktivitäten und des Gesundheitsmanagements auf Basis abgestimmter Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit.
2. Personalpolitische Aktivitäten auf Basis eines unternehmensweiten Verständnisses von Führung und Zusammenarbeit
Mit Hilfe eines pragmatischen Modells sollten verbindliche und konkret formulierte Aussagen zur Verfügung gestellt werden, die das Zusammenarbeiten im Unternehmen bestimmen. Im Fokus sollten dabei die konkreten Erwartungen an Führungskräfte und MitarbeiterInnen stehen. Ziele und Vorteile der Implementierung von Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit waren:
- Einheitliches Verständnis von Führung über alle Organisationseinheiten,
- Führungskultur, die die Grundlagen für erfolgreiches und effizientes Arbeiten weiterentwickelt,
- Transparenz über die Erwartungen an Führungskräfte und MitarbeiterInnen,
- Bessere Voraussetzungen für die Auswahl von Führungskräften,
- Qualitätserhöhung der Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen,
- Führungskräfte und MitarbeiterInnen wissen, was von ihnen erwartet wird,
- Das eigene Verhalten kann besser reflektiert werden.
Für die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Aktivitäten und Instrumente im Bereich Personalgewinnung, Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement wurden eine Reihe von Prämissen im Vorfeld definiert.
- Sämtliche Aktivitäten aus dem Bereich Personalentwicklung, Personalgewinnung und Gesundheitsmanagement sollen sich an einem einheitlichen und für alle MitarbeiterInnen im Hause transparenten und nachhaltig verinnerlichten Verständnis von Führung und Zusammenarbeit orientieren.
- Bei der Erarbeitung unternehmenspolitischer und –strategischer Grundaussagen zu Führung und Zusammenarbeit soll eine möglichst hohe Beteiligung der Belegschaft erfolgen.
- Die Projektplanung sollte einerseits ein straffes Zeitmanagement beinhalten, andererseits waren im Rahmen dieses kulturgeprägten Prozesses jederzeit Möglichkeiten vorgesehen, die zeitliche Planung der Aktivitäten neu zu justieren, wenn Stimmungen oder atmosphärische Rahmenfaktoren im Kontext der Akzeptanz des Erarbeiteten es notwendig machen sollten.
3. Projektablauf
Zu Beginn des Projekts erfolgte eine Diskussion, welche Struktur zukünftig als Grundlage für Personalaktivitäten dienen soll. Für die Entwicklung von Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit wurde eine dreiteilige Struktur herangezogen. Vorteil dieser Gliederung war eine zunehmende Konkretisierung der Aussagen.
- Führungsphilosophie: Sie beschreibt den Stellenwert von MitarbeiterInnen bei EG/LV. (Leitfrage: „Wie sehen wir den Menschen?“ und „Mit welchem Selbstverständnis wird Mitarbeiterführung gesehen?“).
- Führungsgrundsätze: Sie beschreiben, worauf Führungskräfte bei der Mitarbeiterführung Wert legen. Im Fokus steht die Formulierung von richtungsweisenden Grundsätzen bzw. –werten („Als Führungskräfte legen wir Wert darauf, dass …“).
- Führungspraxis: Sie beschreibt konkret, wie Führungskräfte führen wollen und welchen Beitrag MitarbeiterInnen dazu leisten sollten. („Deshalb sollten wir Führungskräfte folgendes tun…“ bzw. „Deshalb erwarten wir von unseren MitarbeiterInnen, dass ...“).
Das dreistufige Modell wurde nach Abstimmung mit dem Vorstand in unterschiedlichen Gesprächskontexten den Führungskräften und den MitarbeiterInnen vorgestellt. Bei der Vorstellung der Projektziele übernahmen die Führungskräfte eine sehr wichtige Mulitiplikatoren-Rolle. Mit Beginn des Projekts erfolgte, gesteuert durch den Bereich Personalentwicklung, eine kontinuierliche Information via Intranet über die einzelnen Projektphasen.
Der Auftakt für die inhaltliche Ausgestaltung der Aussagen zur Führungsphilosophie lag in den Händen der drei Vorstände sowie der Geschäftsbereichsleiter, dem sogenannten erweiterten Vorstand. Im Rahmen einer eintägigen Klausur tauschte sich die oberste Führungsebene über die verschiedenen Aspekte von Führung und Zusammenarbeit aus. Die Diskussion wurde gestützt durch bereits etablierte Unternehmensvisionen und gesetzte unternehmenspolitische mittelfristige Strategien. Das vorläufige Ergebnis dieser konstruktiven Diskussion zum Thema Führungsphilosophie wurde im Anschluss daran mit der nachgelagerten Führungsebene, der Ebene der AbteilungsleiterInnen, in Anwesenheit des Vorstands und der Geschäftsbereichsleiter nochmals im Rahmen wechselnder Kleingruppendiskussionen weiterentwickelt. In dieser Großgruppe mit ca. 50 Personen erfolgte auch der Auftakt, die Führungsgrundsätze und Praxisaussagen als ersten Formulierungsvorschlag abzuleiten. Nach fünf Monaten - mit in der Zwischenzeit erfolgten Diskussionsschleifen - erfolgte der finale Beschluss des Vorstands zur Führungsphilosophie. Der Beschlussinhalt und erste Vorschläge zu Führungsgrundsätzen und -praxis wurden allen Führungskräften und MitarbeiterInnen mit Einladung zur offenen Diskussion zur Verfügung gestellt. Die Belegschaft hatte dann die Möglichkeit, gezielt Feedback und Ansätze zur Weiterentwicklung der Aussagen zu geben. Dazu wurden u.a. eine Reihe von Konsensveranstaltungen durchgeführt, bei denen MitarbeiterInnen und Führungskräfte unterschiedlicher Ebenen sich über den Prozessverlauf wie auch über den jeweiligen Status quo in der Entwicklung der Aussagen austauschen konnten. Diese Diskussionsrunden trugen wesentlich dazu bei, das Projektziel nochmals nachhaltig zu festigen. Die Einbeziehung aller Ebenen im Hause stärkte im Übrigen das Bewusstsein für die Wichtigkeit des Themas. Auch die Frage der Verantwortung für die Umsetzung der Aussagen von Führung und Zusammenarbeit in Verbindung mit der Thematisierung der eigenen Führungsrolle wurden gezielt in den Diskussionsrunden aufgegriffen.
Nach weiteren sechs Monaten erfolgte die endgültige Verabschiedung der Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit. Im Rahmen einer Feierstunde, bei der alle Führungskräfte von Vorstand bis Meister anwesend waren, wurden die Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit verabschiedet. Symbolhaft unterschrieben alle anwesenden Führungskräfte ein Plakat mit den abgedruckten Aussagen. Mittels Improvisationstheater wurden in der Feierstunde bereits Signale gesetzt, wie sich die verabschiedeten Aussagen zukünftig im Führungsalltag integrieren lassen. Ein wesentlicher Hinweis in der Verabschiedungsphase war das Zurückblicken auf die geleistete Arbeit der letzten 12 Monate. Gleichzeitig appellierte der Vorstand an alle Führungskräfte, in den nächsten Monaten einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Umsetzung der Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit zu leisten.
Die inhaltliche Steuerung des bisherigen Prozesses lag in dem Verantwortungsbereich der Personalentwicklung. Nach der Verabschiedung der Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit galt es, sämtliche bereits vorhandenen PE-Tools und auch die Aktivitäten im Bereich Gesundheitsmanagement auf die definierten Eckpfeiler neu zu hinterfragen.
Folgende Arbeitsfelder sind seit der Verabschiedung kontinuierlich im leitbildkonformen Überarbeitungsmodus:
Führungskräfteentwicklung: Auf Basis der Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit wurden die Anforderungen an die Führungskräfte und an MitarbeiterInnen nochmals gebündelt und in einem Kompetenzmodell mit klar beschriebenen Verhaltensankern definiert. Das Kompetenzmodell wird Einzug in das bereits etablierte Jahresmitarbeitergespräch nehmen. Sämtliche hausinternen Führungstrainings wie auch Seminare zum Thema Gesundheitsförderung orientieren sich so bewusst an den definierten und transparenten Anforderungen. Erstmals wird Führungskräften das Angebot eines Potenzialchecks bereit gestellt - mit methodischen Elementen aus einem Förder-Assessment und weiteren Elementen der Selbst- und Fremdeinschätzung und gezielten abgeleiteten PE-Aktivitäten auf Basis einer Standortbestimmung.
In 2011 startete erstmals ein kompaktes Programm für Führungskräfte unter dem Namen „Emscher-Lippe-Campus“. Ein Ziel des Programms war, dass sich die Führungskräfte unterschiedlicher Ebenen mit den Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit befassen und Ansätze zur Weiterentwicklung und Positionierung in ihrer Führungsrolle erhalten. Um die Akzeptanz und das Verantwortungsbewusstsein in der eigenen Rolle zu stärken, wurden unterschiedliche methodische Ansätze gewählt. Mehrere externe bekannte Redner, wie z.B. Dr. Dr. Cay von Fournier nahmen in ihren Vorträgen Bezug auf die Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit und eröffneten den Führungskräften eine erweiterte Perspektive zum Thema Führung. In einem anderen Vortrag mit anschließender Diskussionsrunde wurde den Führungskräften das Thema „Psychische Erkrankung“, die Vorgehensweise im Alltag wie auch weiterführende begleitende Angebote von Seiten des Unternehmens zur on the job- Unterstützung der MitarbeiterInnen durch die jeweilige Führungskraft näher gebracht.
Zusätzlich wurde das Thema „Bedarfsorientierte Weiterentwicklung in Führungsfragen“ fokussiert. Dazu wurde eine Reihe von kompetenzorientierten Seminaren angeboten, die in Absprache mit dem Bereich Personalentwicklung einer Führungskraft zugeordnet werden konnten. Parallel wurde die Eigenverantwortung der Führungskräfte für die eigene Weiterentwicklung dadurch gestärkt, dass von Seiten der Personalentwicklung vermehrt Angebote im Bereich Beratung/Coaching zur Verfügung gestellt wurden.
Mitarbeiterentwicklung: EG/LV stellt auf Basis einer umfassenden Bildungsbedarfsanalyse jährlich ein internes Schulungsangebot zur Verfügung, das fachliche, überfachliche Themen wie auch Seminare und Vorträge zum Thema Gesundheitsförderung beinhaltet. Dieses Fortbildungsprogramm wird zukünftig noch stärker an den Anforderungen von Führung und Zusammenarbeit ausgerichtet.
Personalgewinnung: Auf Basis der Anforderungen und des Kompetenzmodells gilt es das Auswahlverfahren zu überarbeiten.
Kultur und Zusammenarbeit: Bereits nach Verabschiedung der Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit befassten sich die Führungskräfte zum Teil mit Begleitung von Seiten der Personalentwicklung mit der Frage, in welcher Form die verabschiedeten Aussagen in der jeweiligen Organisationseinheit bereits „gelebt“ werden bzw. bei welchen Themen eine Weiterentwicklung erfolgen kann. Auch traten Führungskräfte an den Bereich Personalentwicklung heran, um ihre Überlegungen zum Thema Kulturentwicklung im eigenen Verantwortungsbereich zu reflektieren.
Change-Projekte: EG/LV startete ein umfassendes Changeprojekt, initiiert durch absehbare Aufgabenveränderungen. Für die Gestaltung des Projekts und insbesondere die mitarbeiterorientierte Information und Kommunikation waren die Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit eine wertvolle Grundlage. Es zeigte sich bereits sehr schnell, welche die Kommunikationskultur beeinflussende Funktion Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit haben.
Gesundheitsmanagement: Neben der primären Eigenverantwortung jedes Menschen übernehmen bei EG/LV der Vorstand wie auch alle anderen Führungskräfte eine besondere Verantwortung für die Förderung und Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit aller MitarbeiterInnen. Das moderne Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement dient aber auch der Arbeitgeberattraktivität. Es ermöglicht für die Zukunft noch bessere Chancen für die Gewinnung von Fachkräften und unterstützt EG/LV bei der Förderung der Identifikation und Bindung aller Beschäftigten.
Zusammenfassend zeigte sich, dass mit der Entwicklung von Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit eine inhaltlich wertvolle Grundlage für die zukünftige Ausgestaltung von personalbezogenen Aktivitäten bereit gestellt wurde. Die verabschiedeten Führungsgrundsätze bilden einen Orientierungsrahmen, der sich weniger auf einen bestimmten Führungsstil bezieht, sondern vielmehr eine Art übergeordnete Haltung und Philosophie verkörpert.
Bei der Phase der Implementierung handelt es sich nicht um einen abgeschlossenen Prozess, sondern mehr um einen kontinuierlichen und langfristigen Veränderungs- und Anpassungsprozess. Bereits der erste Schritt, also das Bewusstmachen der sinnstiftenden Funktion von Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit, zeigte sich als wesentliche und erfolgsprägende Maßnahme.
Ein wesentliches Erfolgskriterium für das Nutzen von Führungssaussagen bestätigte sich, nämlich die wertvollen und konstruktiven Diskussionen der unterschiedlichen Ebenen der Belegschaft sowie die nachhaltige und zum Teil selbstverständliche Platzierung des Themas in unterschiedlichen Personalkontexten.
Der bisherige Projektverlauf signalisierte sehr deutlich, inwieweit Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit einerseits eine sozialpsychologische, kulturgestaltende, schöpferische Funktion übernehmen und gewissermaßen das Selbstverständnis bzw. die Identität von EG/LV im Sinne eines „Wir-Gefühls“ im Innen – und Außenverhältnis abbilden. Andererseits bildeten die Aussagen das Fundament für die Formulierung organisatorisch-technischer und betriebswirtschaftlich ausgerichteter Regelungsmechanismen, wie z. B. im Rahmen von Projektarbeit.
Vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen Verantwortung von EG/LV liefern die Aussagen zu Führung und Zusammenarbeit für die Zukunft vermehrt Hinweise für die unternehmerische sozialpolitische Positionierung, z. B. vor dem Hintergrund demografischer Veränderungen und dem Umgang mit einer alternden Belegschaft.
Autoren:
Michael Backes, Birgit Teschner (Emschergenossenschaft und Lippeverband EG/LV)
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