30. Juni 2010
Das deutsche Institut für Wirtschaft in Köln berichtet über viele Unternehmen, die sich darauf eingestellt haben, dass die Belegschaften immer älter werden. Deshalb findet man in den Betrieben jetzt häufiger altersgemischte Teams. Diese erfordern allerdings neue Entlohnungsstrukturen. Denn die gleiche Leistung muss auch gleich bezahlt werden. In jedem dritten Industriebetrieb aber wird immer noch nach dem Senioritätsprinzip entlohnt: Langjährige und/oder ältere Mitarbeiter bekommen mehr Geld als jüngere.
Im Zuge des demografischen Wandels bleiben die Menschen ihren Firmen länger erhalten als früher. Dieser Trend ist bereits sei einigen Jahren zu beobachten: Während sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer insgesamt zwischen März 2000 und September 2009 im Grunde kaum verändert hat, stieg die Beschäftigung der 50- bis 54-Jährigen um gut ein Drittel, die der 55- bis 59-Jährigen um rund 20 Prozent und die der 60- bis 64-Jährigen um über 70 Prozent.
Auch arbeiten die Kollegen immer länger im selben Betrieb. Dies gilt vor
allem für die Ältesten: Die 60- bis 64-Jährigen kamen im Jahr 2008 auf eine durchschnittliche Betriebszugehörigkeit von 21,6 Jahren – das waren 17 Monate mehr als im Jahr 2000.
Um ihre Mitarbeiter möglichst lange beruflich und gesundheitlich fit zu halten,
setzen die Unternehmen auf eine Vielzahl von personalpolitischen Maßnahmen wie altersgemischte Teams, permanente Weiterbildungund ein ausgefeiltes Gesundheitsmanagement.
In Zukunft werden die Unternehmen aber auch zunehmend darauf angewiesen
sein, offene Stellen mit älteren Bewerbern zu besetzen, weil Nachwuchskräfte
knapp sind. Das bringt Betriebe, die nach dem Senioritätsprinzip zahlen – immerhin ein Drittel – in Schwierigkeiten. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Fehlende Qualifizierungsanreize. Senioritätslöhne sollen eigentlich dem
Mitarbeiter einen Anreiz geben, möglichst lange im Unternehmen zu bleiben und sich so betriebsspezifisches Wissen anzueignen. Insofern ist am Anfang der Karriere ein relativ niedriger Lohn gerechtfertigt. Mit der Qualifikation steigt in der Folge auch die Vergütung. Dieses Anreizsystem funktioniert jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Eine wichtige Bedingung: Die Mitarbeiter müssen dem Betrieb über lange Zeit angehören. Ältere Neueinsteiger bleiben indes nur noch wenige Jahre bis zur Rente in der Firma. Aufwendige Einstiegsqualifizierungen lohnen sich für das Unternehmen dann finanziell nicht mehr. Senioritätslöhne sind hier unsinnig. - Unfrieden in der Belegschaft. Zahlt eine Firma einem älteren Newcomer bei gleicher Ausbildung trotzdem einen höheren Lohn als einem jüngeren, wäre Unfrieden programmiert. Deshalb geben Unternehmen mit Senioritätslöhnen häufig älteren Bewerbern beim Auswahlverfahren keine Chance. Das können sie sich aus demografischen Gründen künftig aber nicht mehr leisten. Die ungleiche Bezahlung nach Alter bringt keineswegs nur bei Neueinstellungen Probleme mit sich:
- Zum einen steigt peu à peu die Lohnsumme, wenn die Belegschaften in dieJahre kommen. Denn die höheren Löhne für die älteren Beschäftigten werden nicht mehr durch die niedrigeren Entgelte für die jüngeren kompensiert.
- Zum anderen gefährden Senioritätslöhne auch dann den Betriebsfrieden, wenn – wie in über 55 Prozent der Unternehmen inzwischen üblich – altersgemischte Teams gebildet werden. Denn die älteren Mitarbeiter im Team erhalten für die gleiche Leistung eine höhere Vergütung.
Um ihren personalpolitischen Handlungsspielraum zu erhöhen, sollten Firmen
daher von Senioritätsregeln Abstand nehmen und stattdessen die Grundvergütungen vereinheitlichen. Als neuen Anreiz für die Mitarbeiter, sich ins Zeug zu legen, sollten ziel- und leistungsorientierte Vergütungskomponenten in Form von Prämien eingeführt werden. Sie geben Jung und Alt einen Anstoß, ihr
Verhalten auf das gemeinsame Ziel auszurichten und gegenseitig Informationen
auszutauschen: Ältere Kollegen erhalten aktuelles Fachwissen von den Jüngeren, die wiederum von den Erfahrungen der Profis profitieren.